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    Rettungskonzept für den Steinkohlenbergbau unter Tage
    (Rettungskonzept)

    vom 30.8.1993

    1 Zweck des Rettungskonzepts

    Das Rettungskonzept soll sicherstellen, daß untertägige Rettungsmaßnahmen, die aufgrund der nachstehenden Notsituationen erforderlich sind, unverzüglich eingeleitet und zügig durchgeführt werden.

    1.1 Unfall einer oder mehrerer Personen unter im übrigen ungestörten Betriebsbedingungen (keine schädlichen Gase, funktionierende Personenbeförderungsmittel);

    Aufgabenstellung:
    Leistung Erster Hilfe, schonender Abtransport von Verletzten nach über Tage, erforderlichenfalls Anfahrt des Arztes nach unter Tage.

    1.2 Unfall einer oder mehrerer Personen infolge eines Ereignisses (z.B. Brand / Explosion), insbesondere mit schädlichen Gasen; mögliche Störung der maschinellen Personenbeförderungsmittel im Fluchtbereich;

    Aufgabenstellung:
    Leistung Erster Hilfe, schonender Abtransport von Verletzten nach über Tage, Anfahrt des Arztes nach unter Tage.

    1.3 Einschluß von Personen

    Aufgabenstellung:
    Versorgung mit Atemluft, Nahrung, Kommunikationsmitteln; gleichzeitig mehrere Maßnahmen zur Rettung ergreifen.

    1.4 Brand, Explosion, plötzliches Freiwerden großer Grubengasmengen (z.B. Gasausbruch, Gebirgsschlag); mögliche Störung der maschinellen Personenbeförderungsmittel im Fluchtbereich;

    Aufgabenstellung:
    Nach der Beendigung der Flucht mit angelegten Selbstrettern Ausfahrt der Belegschaft im unbelasteten Wetterstrom bis über Tage.

    2 Voraussetzungen

    Die Lösung der in Abschnitt 1 genannten Aufgaben setzt voraus, daß schon im Rahmen der Planung von Betrieben der Zeitbedarf für einen Verletztentransport nach über Tage sowie für die Anfahrt eines Arztes und der Grubenwehr nach unter Tage ermittelt wird. Außerdem ist planerisch zu prüfen und festzulegen, daß Personen, die mit angelegtem Selbstretter geflüchtet sind, die Tagesoberfläche zügig erreichen können. Etwa notwendige Maßnahmen zur Einschränkung zeitlicher Verzögerungen sind zu treffen.

    Hierzu sind auch Möglichkeiten zu nutzen, die sich aus untertägigen Verbindungswegen zwischen Bergwerken ergeben. Auch müssen Gesichtspunkte eines schonenden Transports Verletzter berücksichtigt werden. In Abbaubetrieben, insbesondere mit geringen gebauten Flözmächtigkeiten, sind Vorsorgemaßnahmen für einen zügigen und gefahrlosen Verletzungstranposrt zu treffen. Bei diesen Planungen sind u.a. der Betriebsarzt, der Oberführer der Grubenwehr und der arbeitssicherheitliche Dienst zu beteiligen.

    Geräte und Einrichtungen zur Bewältigung von Notsituationen müssen betriebsbereit zur Verfügung stehen.

    Änderungen der betrieblichen Gegebenheiten erfordern die vorgängige Anpassung des Rettungskonzepts. Organisatorische Maßnahmen und personelle Voraussetzungen sowie der Kenntnisstand der in Rettungsmaßnahmen unterwiesenen Personen sind in regelmäßigen Zeitabständen zu aktualisieren. Für eingeschlossene Bergleute müssen Einrichtungen und Verfahren zur Versorgung und Rettung vorgehalten werden. Geräte und Einrichtungen zur Rettung eingeschlossener Bergleute einschließlich der Mannschaften zu ihrer Bedienung müssen schnell eingesetzt werden können.

    3 Hilfe für Verletzte

    3.1 Ausbildung, Anzahl und Anwesenheit von Nothelfern sind in § 59 Abs. 2 und 3 BVOSt geregelt. Die Ausbildung aller unter Tage beschäftigten verantwortlichen Personen zu Nothelfern ist anzustreben.

    3.2 Neben den Mitteln für die Erste Hilfe (§ 60 Abs. 4 BVOSt) und Krankentragen (§ 61 BVOSt) sind geeignete Rettungsmittel für den schonenden Transport Verletzter bereitzuhalten (z.B. Bergbau-Vacuum-Matratzen, gefederte Verletztentransportwagen).

    3.3 Zum Betrieb maschineller Personenbeförderungsmittel auch nach einem Ereignis (ggf. zusätzliche Personenbeförderungsmittel, Steuerstände in unbelasteten Wettern) sind Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

    3.4 Es muß sichergestellt sein, daß die Meldung einer Verletzung unverzögert an den Heilgehilfen weitergegeben wird, der ggf. den Betriebsarzt oder seinen Vertreter nach Plan bzw. den Notarzt über die öffentliche Rettungsleitstelle anzufordern hat.

    3.5 Nach einem Grubenunglück ist das ärztliche Hilfswerk durch die Werksleitung entsprechend dem Plan für das ärztliche Hilfswerk einzuleiten (§ 63 BVOSt).

    3.6 Verletztentransport und Entgegenfahren des Arztes (insbesondere Koordination durch Sicherheitswarte, Begleitung des Arztes durch eine verantwortliche Person und Absprache des Weges beim Entgegenfahren Arzt / Verletztentransport) müssen durch organisatorsiche Maßnahmen so aufeinander abgestimmt sein, daß Wartezeiten vermieden werden.

    4 Räumung von Grubenbauen bei der Flucht mit angelegten Selbstrettern

    4.1 Die Ermittlung der Fluchtzeiten erfolgt nach den Maßgaben der Fluchtweg-Richtlinien.

    4.2 Länge und Infrastruktur der Grubenbaue sind von jedem Fluchtendpunkt aus so zu gestalten, daß die Gesamtzeit für Flucht und Abfahrt (Räumung) bis zu einem einziehenden Seilfahrtschacht oder bis zu einem ausziehenden Seilfahrtschacht, der bei dem betrachteten Ereignis unbelastete Wetter führt, maximal 120 Minuten beträgt.

    Die Zeit für die Räumung wird wie folgt berechnet:

    - Die Fluchtzeit wird unter Anwendung der Richtgeschwindigkeiten der Fluchtweg-Richtlinien ermittelt (Fahrung zu Fuß, d.h. ohne maschinelle Personenbeförderungsmittel); die nicht ausgeschöpfte Fluchtzeit darf auf die Abfahrzeit angerechnet werden.
    - Zur Berechnung der Abfahrtzeit vom Fluchtendpunkt bis zum Seilfahrtschacht darf nur dann die Benutzung maschineller Personenbeförderungsmittel berücksichtigt werden, wenn sichergestellt ist, daß diese verfügbar sind. Während der Abfahrtzeit dürfen sich die abfahrenden Personen nicht in vom Ereignis belasteten Wettern befinden.

    4.3 Für die Bemessung der sich aus der zulässigen Abfahrtzeit ergebenden Weglänge ist die tatsächliche Geschwindigkeit der maschinellen Personenbeförderungseinrichtungen zugrunde zu legen. Bei Blindschachtseilfahrt oder ähnlicher Pendelseilfahrt oder -personenbeförderung ist die stärkste Belegung zu berücksichtigen.

    4.4 Tagesschächte, die zur Seilfahrt nach der Flucht der Beschäftigten mit angelegten Selbstrettern und nach ihrer Abfahrt vom Fluchtendpunkt in Betracht kommen, müssen mit Seilfahrtanlagen ausgerüstet sein (Räumungsschächte). Räumungsschächte sollen die Schächte sein, in denen die regelmäßige Seilfahrt der Beschäftigten stattfindet, die im betrachteten Räumungsfall betroffen sind.

    Bei der Bestimmung der Seilfahrtzeit ist die stärkste Belegschaft zugrunde zu legen.

    4.5 Die Seilfahrt nach Abschnitt 4.4 soll 60 Minuten nicht überschreiten. Bei einer Räumung der Grube ist sofort mit der Seilfahrt zu beginnen; beim Eintreffen der Personen mit der größten Flucht- und Abfahrtzeit darf die Räumungszeit nicht wesentlich überschritten werden.